Sicherheit auf der Drückjagd

Aufgrund anwachsender Schalenwildbestände – vor allem beim Schwarzwild – hat die Bewegungsjagd in vielen Revieren mittlerweile einen festen Stellenwert. Dabei ist der hohe zeitliche Aufwand für die Planung, Organisation, Durchführung und Nachbereitung das eine. Mindestens genauso abschreckend scheint das hohe Mass an Verantwortung und Professionalität zu sein, insbesondere wenn es um die Sicherheit aller Beteiligten geht.

Veröffentlicht am 23.10.2023

Bei den alljährlich in den Herbst- und Wintermonaten stattfindenden Bewegungsjagden nehmen eine ganze Reihe von Teilnehmern teil – Schützen, Treiber, Hundeführer mit ihren Stöberhunden, Wildberger und weitere Jagdhelfer. Wie bei jeder Gesellschaftsjagd erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sich aus Leichtfertigkeit oder Unachtsamkeit ein Jagdunfall ereignen kann, gegenüber der sonst üblichen einzeln ausgeübten Jagd bei Pirsch und Ansitz. Aus diesem Grund gibt es für jede Form von Gesellschaftsjagd resp. Bewegungsjagd strenge Regeln, die jeder Teilnehmer kennen muss und unbedingt zu befolgen hat. Die rechtliche Grundlage dazu bilden die Unfallverhütungsvorschriften der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. 

«Sicherheit geht vor Jagderfolg!», ein Satz, den jeder Teilnehmer auf einer Bewegungsjagd schon einige Male bei der Sicherheitsbelehrung durch den Jagdleiter bei der morgendlichen Begrüssung gehört hat – und hoffentlich nicht als Floskel erachtet. Jeder Teilnehmer muss an so einem wichtigen Jagdtag seine sieben Sinne beisammenhaben und auf alles und jeden Rücksicht nehmen. Dazu zählen neben den ebenfalls beteiligten Jägern, Treibern und Hundeführern auch die überall frei arbeitenden Jagdhunde, die unvorhergesehen mit und ohne Wild überall erscheinen können. Aber auch mit Erholungssuchenden, die vorsätzlich auf gesperrten Waldwegen oder fernab irgendwo im Gelände überraschend auftauchen können, muss der Jagdteilnehmer immer rechnen und diese vor einer möglichen Schussabgabe einkalkulieren. Die Sicherheit anlässlich einer Bewegungsjagd umspannt daher viele Bereiche. Eine lange Liste, die der Jagdleiter verantwortungsvoll umsetzen muss: 

Die Sicherheit aus der Perspektive des Revierinhabers/Jagdleiters

Als Jagdherr beziehungsweise Jagdleiter müssen Sie grundsätzlich alle Voraussetzungen für den sicheren Ablauf der Jagd und damit in Zusammenhang stehender Tätigkeiten im Revier schaffen. 

  • Es dürfen keine Personen eingesetzt werden, die infolge mangelnder geistiger oder körperlicher Eignung nicht in der Lage sind, die aufgetragenen Aufgaben auszuführen.
  • Jeder Schütze muss einen auf seinen Namen lautenden, gültigen Jagdschein mitführen und ihn vorzeigen. 
  • Es werden Jagdregeln und Sicherheitsbestimmungen für die Jagd festgelegt und die Teilnehmer entsprechend darüber unterwiesen. 
  • Bereits im Vorfeld der Jagd werden die jagdlichen Einrichtungen auf die Eignung und Sicherheit überprüft. Insbesondere muss eine wackelfreie, stabile und vor allem gegen Umfallen gesicherte bauliche Konstruktion gewählt werden. Drückjagdböcke sollten mindestens eine Höhe von 2,50 Metern haben, um zumindest auf kürzere Schussdistanz einen sicheren Kugelfang zu bieten. Jagdschirme können nur in Revierteilen Verwendung finden, die über eine natürliche Geländestruktur hinsichtlich geeigneter Kugelfangsituation verfügen. Grundsätzlich soll jedem Schützen eine für die Gesellschaftsjagd geeignete feste Ansitzeinrichtung zugewiesen werden (Drückjagdsitz/Jagdschirm). 
  • Jeder Schütze ist vor Ort persönlich in den Stand, mögliche gekennzeichnete Gefährdungsbereiche (Schuss- und Sicherheitsbereiche), mögliche Nachbarstände, abgestellte Fahrzeuge, Wildwechsel und Treiberbewegungen einzuweisen. 
  • Gefährdungsbereiche zu Nachbarständen, Strassen oder Ortschaften müssen am Stand farblich eindeutig und unmissverständlich gekennzeichnet sein. 
  • Ein sicherer Kugelfang ist nur der gewachsene Boden. Hinweis auf Besonderheiten wie steiniger Boden, verbotene Schüsse auf befestigte Wege, Dickungen sind kein Kugelfang, verbotene Schüsse an oder über den Horizont sowie über den inneren Horizont. 
  • Signalhutbänder sind nicht ausreichend. Mindestens der gesamte Oberkörper ist bei allen Jagdteilnehmern mit Signalfarbe zu kennzeichnen. 
  • Die Jagdleitung hält vor der Jagd Reservewesten in Signalfarbe bereit, falls ein Teilnehmer unzureichend ausgerüstet ist. 
  • Die Hundeführer sind seitens der Jagdleitung darauf hinzuweisen, ihre Stöberhunde ebenfalls grossflächig farblich zu kennzeichnen. Mittlerweile sind nur noch vereinzelt Hunde ohne breites Signalhalsband oder Weste auf den Jagden zu sehen. 
  • Vor (Restalkohol) und während der Jagd gilt ein absolutes Alkoholverbot. 
  • Für Treiber gelten bei Kindern unter 14 Jahren und Jugendlichen differenzierte Teilnahmebedingungen. 
  • Abbruch oder Aussetzen der Jagd bei schlechten Sichtverhältnissen durch Nebel, Schneetreiben oder Dunkelheit. 
  • Der Jagdleiter muss die sichere Waffenaufbewahrung beim Schüsseltreiben regeln. 
  • Unmittelbar vor der Jagd müssen Hinweisschilder und gegebenenfalls Wegesperrungen mit Trassierbändern vorgenommen werden, um Waldbesucher zu informieren und zu lenken. 
  • Strassensperrungen oder Geschwindigkeitsbeschränkungen im Sinne der Verkehrssicherungspflicht müssen bei der zuständigen Behörde beantragt werden. 
  • Werden für Schützen/Treiber Transportfahrzeuge eingesetzt, müssen auch diese vorschriftsmässig der Sicherheit entsprechen. Darüber hinaus muss der Versicherungsschutz hinsichtlich der Deckungssumme überprüft werden. 
  • Der Jagdleiter kann und sollte für eine Gesellschaftsjagd Aufgabenbereiche delegieren. Es macht Sinn und entlastet den Jagdleiter, wenn er für die Bereiche Anstellen, Wildbergung, Nachsuchen, Wildversorgung und Streckelegen Beauftragte einsetzt. 
  • Nach dem Motto «Nach der Jagd ist vor der Jagd» sollten der Jagdleiter und seine Beauftragten die an die Schützen ausgegebenen und hoffentlich zielführend ausgefüllten Standprotokolle auswerten, um Folgejagden stets optimieren zu können. 
  • Für alle Jagdteilnehmer, insbesondere die Ansteller, Hundeführer und Wildbergetrupps, gilt trotz engem Zeitplan, dass vorausschauend und langsam auf den Forstwegen gefahren wird, um Unfälle mit anderen Teilnehmern und noch nicht aufgenommenen Stöberhunden zu vermeiden. 
  • Bei Schwarzwildnachsuchen, die aufgrund geringer Stehzeiten und starker Sauen gefährlich sein können, muss der Jagdleiter mit einer Begleitperson, Schutzausrüstung und Erste-Hilfe-Päckchen Vorsorge treffen. 
  • Der Standlaut im Treiben oder während einer Nachsuche darf grundsätzlich nur von einem Hundeführer angegangen werden. 
  • Fangschüsse im Treiben dürfen nur aus nächster Nähe abgegeben werden. 
  • Durchgeschützen und Hundeführern ist es grundsätzlich zu untersagen, gesundes Wild im Treiben zu erlegen, da sie nicht wissen, wo Schützenstände stehen. 
  • Eine besondere Gefahr stellen grenznahe Drückjagdstände dar. Sie sind von beiden betroffenen Jagdleitern anzuschauen und sicherheitstechnisch so zu behandeln, als wären sie einer Jagd zugehörig. 

Der Stand geht auf. Die Rotte wurde gesprengt, ein einzelner Frischling wechselt wie im Lehrbuch an und bekommt eine saubere Kugel am weichen Rand eines Waldweges. (Bild: Matthias Meyer)

Die Sicherheit aus der Perspektive des Schützen 

Versierte und gut vorbereitete Schützen sind ein wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen und vor allem unfallfreien Jagd. Damit der Schütze in einer jagdlichen «Stresssituation» aber auch entsprechend schnell, sicher und richtig reagiert, gehört viel Übung und Routine zur richtigen Vorbereitung: 

  • Vor und während der Jagd ist Alkohol ein absolutes No-Go. 
  • Drückjagdschützen müssen regelmässig, zumindest aber vor der Teilnahme an der Jagd, diszipliniert das Schiessen auf bewegte Ziele üben und mittlerweile ihre Treffsicherheit dokumentieren. Dazu ist das Schiesstraining am laufenden Keiler oder im Schiesskino geeignet. Dank moderner Technik und Schiesssimulatoren lassen sich sogar einzelne Parameter wie Munitionsgeschwindigkeit, Vorhaltemass und Mitschwingverhalten berechnen, um Schiessfehler schnell zu beheben. 
  • Für die Drückjagd muss der Schütze über ein anderes Equipment verfügen als für die Einzeljagd. So sichern mehrschüssige Waffen (kombinierte oder Repetierer) ein schnelles Nachschiessen auf krankgeschossenes Wild. Spezielle Drückjagdkaliber und -geschosse stellen eine entsprechende Augenblickswirkung beim getroffenen Tier sicher, um es schnell verenden zu lassen oder Nachsuchen erfolgreicher zu gestalten. 
  • Insbesondere der Schuss über eine offene Drückjagdvisierung oder spezielle Drückjagdoptik sorgt mit einem sehr breiten Sehfeld dafür, dass der Schütze stets auch das Umfeld im Blick hat und nicht mit einem «Tunnelblick» agieren muss. 
  • Beim Betreten des Drückjagdstandes ist sicherheitshalber nochmals optisch der Bauzustand zu erfassen. Gesundes, stabiles Holz, trockene Oberfläche und Standfestigkeit müssen gegeben sein. Sollte der Fussboden des Sitzes durch Witterungseinfluss rutschig sein, hilft es, wenn der Schütze im Rucksack etwas Sand oder Sägemehl dabeihat und es verstreut. Anderenfalls helfen auch zwei bis drei flache, breite Fichtenzweige, auf die man sich dann stellen kann. Genauso wird der Zustand der Sitzbrettauflage und der Sitzbretter überprüft, damit man bei der Schussabgabe keine unliebsame Überraschung erlebt. 
  • Solange der Ansteller noch zugegen ist, erfragt man die Richtung eventueller Standnachbarn, Schusssektoren oder Gefährdungsbereiche, die wichtigsten Wildwechsel und eventuell die Richtung, von wo das aktive Treiben kommt. 
  • Sind Standnachbarn direkt sichtbar, erfolgt die optische Kontaktaufnahme mit ihnen. In diesem Fall ist sicher davon auszugehen, dass ein Gefährdungsbereich deutlich und unmissverständlich am Stand ausgewiesen ist, was insbesondere bei schlechten oder sich spontan ändernden Sichtverhältnissen lebenswichtig ist. 
  • Auf dem Stand erfolgt das Herrichten der Ausrüstung, Laden des Gewehrs inklusive Entfernen des Riemens (Sicherheit wie am Schiessstand!!) sowie ein Orientierungsblick in die nähere Umgebung. Wir verinnerlichen mögliche Wildwechsel, sichere Schussbereiche mit natürlichem Kugelfang, Deckungsstrukturen, wo Wild stecken kann, oder die anlaufendes Wild anstrebt. 
  • Zur Orientierung gehört auch unbedingt, auffällige Geländepunkte mit dem Entfernungsmesser anzulasern und sich die Entfernungsmarken für nahe, mittlere und weite Schüsse einzuprägen. Mitunter kann auch der eine oder andere Probeanschlag mit dem gesicherten oder entladenen Gewehr nur förderlich sein. 
  • Der sichere unbewusste Umgang mit dem Gewehr sitzt bei jeder Bewegung dank regelmässiger Übung. Trotzdem muss sich der Schütze im Falle des Wildanlaufs konzentrieren. Dazu gehört vor allem das richtige Ansprechen der Stücke. Das sichere Ansprechen kann man nur von einem erfahrenen Jäger auf der Jagd erlernen und sollte bei jeder Situation grundsätzlich weitertrainiert werden. Bei der Erlegung eines Wildtieres ist das korrekte Ansprechen gewichtiger als der eigentliche Schuss. Ein Fehlabschuss auf nicht freigegebenes Wild kann nämlich ernste Folgen haben. 
  • Wenn nun die erhoffte Rotte Sauen flüchtig aus der Dickung kommt, hat der Schütze viele Eventualitäten vor dem geistigen Auge durchgespielt und bedacht. Trotzdem können nicht per se alle Gefahrenquellen ausgeschlossen werden. Es gilt auch noch beim Mitziehen auf dem anvisierten Stück, den Überblick zu behalten, dass keine Treiber oder Stöberhunde im Hintergrund sind, das richtige Stück blitzschnell anzusprechen und im Absehen zu verfolgen, bis es frei und ohne Gefahr auf einen Paketschuss läuft, die Entfernung und Geschwindigkeit richtig einzuschätzen, um dann kontrolliert zu schiessen. 

Die meisten Anforderungen, die eine Drückjagdsituation an den Jäger stellt, lassen sich im Training gut vorbereiten und erlernen. Die hinzugewonnene Erfahrung und später Routine helfen, um sicher und abgeklärt den Erfolg zu steigern. Nur eines lässt sich in einem noch so guten Training nicht abstellen – das Jagdfieber. Aufregung und Nervosität sind Schwachstellen bei manchem Jäger, die manchmal so weit gehen, dass der gefürchtete Tunnelblick überhandnimmt und eine sichere Schussabgabe unter Drückjagdbedingungen infrage stellt. 

Text: Matthias Meyer
Hauptbild: Matthias Meyer

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