Embrach: Gelbbauchunken statt Wurftauben

Seit fast 60 Jahren wird auf der Jagdschiessanlage Au in Embrach geschossen. Spätestens Ende 2024 soll Schluss damit sein. Bis dann muss eine Fläche von mehr als sieben Hektaren saniert und rekultiviert werden. Bereits wurde eine erste Etappe erfolgreich abgeschlossen. Ziel der bis gegen Ende Winter 2024/2025 laufenden Arbeiten ist es, die Töss-Auen wieder der Natur zurückzugeben.

Veröffentlicht am 19.01.2022

Ursprünglich ein idealer Standort

Als Mitte der 1960er-Jahre die Jagdschiessanlage oberhalb der Töss gebaut wurde – ein idealer Standort, fernab der Siedlungen –, ahnte wohl noch niemand, dass diese rund 60 Jahre später mit ausserordentlich hohem Aufwand zurückgebaut werden muss. Denn erst Anfang der 1990er-Jahre wurde fast die ganze Fläche als nationales Auenschutzgebiet ausgeschieden. Und damit begannen die Probleme. Zwar kümmerten sich Rehe, Gelbbauchunken und andere Bewohner der Auenlandschaft wenig um den Schiesslärm. Und auch die Wurftaubenbruchstücke und Schrotkörner, die es vom Trap- und Skeetstand auf die Töss und in den Gegenhang hinunter «regnete», vermochten die «Ureinwohner» nicht zu vertreiben. Die grossen Mengen an Blei, Wurftauben, Schrotbechern und Filzpfropfen – man schätzt, dass während des Betriebs der Schiessanlage etwa 15 bis 20 Mio. Schuss abgegeben wurden – führten jedoch zu einer hohen Bodenbelastung. Probebohrungen zeigten, dass auf einer Fläche von sieben Hektaren die Erde bis zu einer Tiefe von 20 bis 80 cm abgetragen werden muss.

 

Aufwändige Sanierungsarbeiten

Die ganze Sanierung und Rekultivierung erfolgt in zwei Etappen. In der ersten Etappe wurden bis Herbst 2021 die Wurftaubenstände abgebrochen und das gesamte Gebiet südlich und nördlich der Töss sowie der Gegenhang bei der Kugelanlage saniert und rekultiviert. Das belastete Erdreich wurde mit Baggern ausgehoben und zum Recycling nach Glattfelden gebracht. Dort konnten rund 95% der verschiedenen Substanzen verwertet werden. Eine sehr aufwändige Arbeit. So muss je nach Lage und Schwierigkeitsgrad des Abbaus mit Kosten von 400 bis 800 Franken pro Kubikmeter gerechnet werden. Auch sind die Arbeiten nicht ungefährlich. Bei Grabarbeiten stürzte ein Menzi Muck im Gegenhang etwa 30 Meter in die Tiefe. Glücklicherweise gab es keine Verletzten.

Nach Eröffnung der im Bau befindlichen Jagdschiessanlage Widstud in Bülach, spätestens aber im Herbst 2024, wird der Schiessbetrieb in Embrach definitiv eingestellt. Anschliessend werden alle Gebäude abgebrochen. Zwischen den beiden Etappen soll sich die Natur bereits regenerieren können.

Ein Naturparadies entsteht

Mit der Altlastensanierung sind Eingriffe in über lange Zeiträume entstandene Wälder und Moorflächen unumgänglich. Diese Flächen werden zwar rekultiviert – es entstehen sogar noch zusätzliche Moore und Trockenstandorte –, aber es wird mehrere Jahrzehnte dauern, bis sich die Lebensräume wieder vollständig erholt haben. All die Eingriffe müssen möglichst naturverträglich sein. Urs Philipp, Jagdverwalter des Kantons Zürich: «Es musste sehr detailliert geplant werden, um die Massnahmen für Fauna und Flora möglichst schonend zu gestalten. Dazu gehörten Zeitfenster, während denen die Arbeiten ruhen mussten, beispielsweise während der Brutzeit der Vögel. Im Weiteren wurde in einem ausführlichen Sanierungskonzept festgelegt, was alles auf den Flächen vorkommen bzw. sich entwickeln soll.» Ob sich die Natur an das Konzept halten wird, ist heute noch offen. Die Vielfalt wird aber sehr gross sein. Tausende Bäume und Sträucher werden oder sind bereits gepflanzt. Darunter Eichen, Elsbeeren, wilde Birnen- und Apfelbäume, Schwarzerlen und wilde Rosen. Damit auch die Bevölkerung von diesem dereinst sehr bedeutenden Naturparadies profitieren kann, ist ein Fussweg zum Ufer der Töss geplant, wo man baden und picknicken kann. Und nicht zuletzt werden auch wir Jäger auf unsere Rechnung kommen, erwarten uns doch in der neuen Schiessanlage Widstud bei Bülach «paradiesische Zustände».

Text: Martin Ebner, Fotos: Martin Ebner, Rainer Kühnis

                                                                                               

Das Projekt in Zahlen:

Kosten: ca. 15 Mio. Franken
Kostenträger: 40% Bund, 60% Kanton ZH
Sanierungsfläche: 7 ha, davon 4,5 ha Wald
23 000 m3 Erdreich müssen saniert werden.
400 t Blei werden entsorgt.
3000 Bäume und Sträucher werden gepflanzt.
Die Fläche des bestehenden Flachmoors wird verdreifacht.
Projektdauer inkl. Planung: 20 Jahre

 

 

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