Die Motivation hoch halten
Was tun, wenn der eigene Jagdhund die Kunstfährte oder die Einsatzfährte nicht mehr ausarbeiten will? Wie kann der Hund wieder motiviert werden? Fragen, die der erfahrene Nachsucheführer, Schweisshundeausbilder und TKJ-Richter Harry Müller mit Praxistipps beantwortet.

Es tritt immer mal wieder auf, dass ein auf Schweiss gepru?fter Hund keine Lust mehr hat, eine Schweissfährte auszuarbeiten. Die Gru?nde dafu?r können vielfältig sein. Grundsätzlich muss einmal unterschieden werden, ob das Problem, dass ein Hund keine Lust mehr verspu?rt auf der Fährte zu arbeiten, auf der Kunstfährte oder beim praktischen Einsatz vorkommt. Es kommen immer wieder Hundefu?hrerinnen und Hundefu?hrer auf mich zu, um eine Lösung fu?r dieses Problem zu finden. Wenn erst einmal der Stand der Kunstfährte angeschaut wird, wird oft schnell klar, woran es liegt. Die Motivation ist ein sehr wichtiges Element bei der Kunstfährte. Wenn der Hundefu?hrer oder die Hundefu?hrerin es verpasst hat, das Triebziel des Hundes hoch zu halten, kann er oder sie nur verlieren.
Belohnung am Ziel
Der Begriff Trieb bedeutet einen von inneren Faktoren des Hundes gesteuerten Antrieb der Befriedigung, sein Ziel zu erreichen. Zu oft muss ich feststellen, dass am Ende der Fährte angekommen von Seiten der Hundefu?hrer zu wenig Lob ausgesprochen wird, ja sogar verboten wird, mit dem gefundenen Stu?ck zu spielen. Mit diesem Verhaltensmuster wird jede Kunstfährte zum Alptraum. Richtig gelobt hat der Hundefu?hrer oder die Hundefu?hrerin dann, wenn alle Zuschauer denken: «Der hat nicht alle Tassen im Schrank». Auch musste ich schon feststellen, dass am Ende der Fährte, am Ziel, eine getrocknete Rehdecke gelegt wird. Wenn wir die Motivation hoch halten möchten, muss eine frische Rehdecke vorhanden sein. Damit diese frisch bleibt, sollte man zu Hause ein Gefrierfach mit solchen Stu?cken fu?r den Hund reservieren. Auf diese Art können wir die Rehdecke einige Male nutzen.
Was bei meinen Hunden dann nach getaner Arbeit zusätzlich gereicht wird, ist eine kleine Futterschale mit Katzenfutter. Daru?ber ist nach meiner Erfahrung jeder Hund glu?cklich und geniesst diese kleine Belohnung.
Kreative Kunstfährten anlegen
Bei der Kunstfährte kommt es auch immer wieder vor, dass diese zu langweilig angelegt wird. Zu oft verfallen wir in ein Standardmuster beim Anlegen einer Kunstfährte. Wir mu?ssen jedoch bei jeder Fährte kreativ sein und u?berlegen, was mit dieser Fährte erreicht werden soll. Es können die verru?cktesten Sachen gemacht werden, so dass es fu?r den Hund immer wieder interessant und spannend bleibt. Es muss auch nicht immer eine Pru?fungsfährte – also mindestens 500 Meter – sein. Das Ziel darf auch einmal nach 300 Metern erreicht sein.
Wichtig ist, dass immer dem Ausbildungsstand entsprechend eine Fährte angelegt wird. Wenn vom Hund einmal zu viel gefordert wurde, dann ist es besser, wenn im Training wieder ein Schritt zuru?ckgegangen wird.
Was bei der Ausbildung auch immer wieder festgestellt wird, ist, dass der Hundefu?hrer den Hund korrigiert, weil er glaubt, die Fährte geht woanders durch, oder der Hund wird gelobt, wenn er auf der Frischfährte arbeitet. Das sind aber Fehlverknu?pfungen, die jeden Schweisshund total verunsichern und jede Arbeit zum Scheitern verurteilen.
Sicherheit und Vertrauen aufbauen
Meine langjährige Erfahrung mit etwa 90 Prozent Eigenfährten, welche sehr gut markiert sind, zeigten mir das beste Erfolgsmodell. Fremdfährten sollten beim Aufbau gut markiert werden. Das gibt dem Hundefu?hrer oder der Hundefu?hrerin die nötige Sicherheit und das beste Vertrauen zu seinem Hund. Nur wenn der Hundefu?hrer zu 100 Prozent sicher ist, wo seine Fährte entlanggeht, kann er der Hund entsprechend loben oder korrigieren.
Wenn es dann einmal auf eine Schweisshundepru?fung zugeht, muss der Hund entsprechend auf die Pru?fung vorbereitet werden. Nur so kann am Pru?fungstag die beste Arbeit gezeigt werden. Der eine Hund braucht vor der Pru?fung eine Pause von ein bis zwei Wochen und der andere Hund muss in der gleichen Woche, in der die Pru?fung stattfindet, fu?nf Fährten ausarbeiten, damit er eine optimale Leistung zeigt. Das habe ich selber auch schon praktiziert. Es ist wie beim Spitzensportler – diese arbeiten auch immer auf ein Ziel hin und können nicht das ganze Jahr u?ber in Topform sein.
Das Such-, und Triebverhalten unserer Hunde mu?ssen wir immer wieder beobachten und das Training entsprechend gestalten sowie anpassen, damit wir eine optimale Vorbereitung fu?r unsere Pru?fung haben.
Negative Erlebnisse verarbeiten
Nun, wie sieht es aus bei der Einsatzfährte? Auch hier können verschiedene Faktoren dazu beitragen, dass der Hund die Fährte nicht mehr ausarbeiten will. Der Grundstein jedes guten Schweisshundes ist natu?rlich ein starkes Triebverhalten mit der entsprechenden Wildschärfe, um ein krankes Stu?ck Wild zu finden. Wenn da ein Hund bei seinen Erbveranlagungen etwas wenig erhalten hat, wird er entsprechend negativ auf gewisse Vorkommnisse reagieren. Es kann sein, dass er von einem Wildschwein angenommen und geschlagen wurde, aber auch Rehböcke, Gämsen, Sika- oder Rothirsche können die Hunde schwer verletzen. Um solche Zwischenfälle zu vermeiden, empfehle ich jedem Schweisshundefu?hrer und jeder Schweisshundefu?hrerin seinem oder ihrem Hund eine massgeschneiderte Schutzweste anzuziehen.
Wenn ein solches Ereignis trotzdem eingetreten ist, kann es einen längeren Unterbruch seiner Tätigkeit als Schweisshund mit sich bringen, bis er wieder genesen ist. Wenn der Hund nun mit seiner Wildschärfe etwas schwach veranlagt ist, könnte es in Zukunft fu?r die entsprechende Wildart bei der Nachsuche schwieriger werden. Bei den triebschwachen Hunden kann das Vertrauen sicher auch wieder gefördert werden, wenn sie vermehrt eine Todsuche ausarbeiten können. Sollte sich der triebschwache Hund nicht mehr erholen, muss man mit sich selber so ehrlich sein und nur noch sichere Todsuchen ausarbeiten.
Eine Möglichkeit, das schwache Triebverhalten aufgrund einer schlechten Erfahrung zu verbessern, besteht sicher darin – als Beispiel bei von Wildschweinen geschlagenen Hunden – im Schwarzwildgatter in Elgg zu trainieren, damit dieses negative Erlebnis besser verarbeitet werden kann. Dann gibt es noch die sehr wildscharfen Hunde, welche nach solchen Ereignissen noch schärfer an das Stu?ck herantreten. Auch hier empfiehlt es sich, im Gatter eine Übungssequenz zu absolvieren. Abschliessend muss gesagt werden, wir du?rfen mit unseren Hunden nur solche Nachsuchen ausarbeiten, welche dem Tierschutz und der Weidmännischkeit gerecht werden.
Zum Autor
Harry Mu?ller fu?hrt einen Bayerischen Gebirgsschweisshund (BGS) und tätigt jährlich bis zu 50 Nachsuchen in Schaffhausen, Zu?rich und dem su?ddeutschen Raum. Während seiner zwölfjährigen Vorstandszeit von JagdSchaffhausen leitete er die Schweisshundeausbildung im Kanton Schaffhausen. Zudem ist er in der Jägerpru?fungskommision FachHunde als Experte sowie als TKJ-Richter fu?r die Schweisshundepru?fungen tätig.
Text: Harry Müller
Hauptbild: Horst Jegen
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