Auf Sauenpirsch

Auch wenn in der Schweiz der Grossteil der Sauenstrecke auf dem Ansitz und auf Bewegungsjagden erzielt wird, kann die Pirsch auf diese Wildart nicht nur spannend und erlebnisreich, sondern sogar effektiv sein.

Veröffentlicht am 03.12.2020

Text und Fotos: Matthias Meyer

Wenn es die Revierverhältnisse zulassen, ist die Pirsch auf Schwarzwild eine der reizvollsten Jagdarten, verlangt sie doch vom Jäger nicht nur sehr gute Revierkenntnisse über Einstände, Wechsel und gern vom Schwarzwild besuchte Äsungsflächen oder Suhlen, sondern gerade auch Erfahrungen über die vorherrschenden Windrichtungen und lokal besondere Windströmungen. Der pirschende Jäger muss zudem reichlich Training hinsichtlich Körperbeherrschung, Mut und Reaktionsvermögen besitzen, will er aus spontanen Situationen im Zusammentreffen mit dem ersehnten Wild – oft sogar auf kürzeste Distanz – nicht als Verlierer hervorgehen.

Auf Schwarzwild kann man sowohl im Feld als auch im Wald pirschen. Während der Jäger im Feld meistens die schadstiftenden Sauen angeht, die er vorher vom Ansitz aus sieht oder hört, aber nicht mit der Kugel erreichen kann, versucht der Waldjäger bei der Pirsch mit den Sauen an den bekannten Wechseln zu Suhlen oder Einständen oder aber bei der Aufnahme von Bucheckern und Eicheln im Altholz zusammenzutreffen.

Im Feld findet die Jagd meist an den Schadflächen statt. Im Sommer sind dies in aller Regel milchreife Getreidefelder, später dann der reifende Mais, der die Sauen magnetisch anzieht. In weiten Feldfluren nehmen die Sauen vielfach ausgedehnte Rapsfelder als Tageseinstand an. In der kurzen Sommernacht verspäten sie sich gerne mit dem Einziehen in den Einstand und bummeln oft noch bei vollem Licht vertraut auf Graswegen zwischen den Feldern umher und brechen gerne an deren Rändern, gerade nach Regenfällen, nach allerlei Insekten und Würmern.

Von Herbst bis Frühjahr sind feuchte Stellen im Grünland die begehrten Anlaufpunkte. Dort brechen die Sauen verstärkt und mit einer Regelmässigkeit nach Engerlingen, Würmern und Mäusenestern, um ihren Eiweissbedarf zu decken, den sie nach einer übermässigen Aufnahme von Mais oder Waldmast haben. Sinnvoll kann es in diesem Fall sein, dass der Jäger diese Flächen erst vom Ansitz aus beobachtet. Vielleicht wechseln die Schwarzkittel ja bereits auf eine günstige Entfernung an, so dass er zum Schuss kommen kann.

Anspruchsvolle Feldpirsch

Stehen die Sauen vertraut einige Zeit im Gebräch, ist es relativ einfach, sie selbst im deckungslosen Gelände anzugehen, wenn man sich stets langsam und nur mit bestem Wind auf sie zu bewegt. Auf den letzten 150 bis 100 Metern geschieht dies mit Unterbrechungen und in gebückter Haltung, ja es kann sogar notwendig werden, die Sauen für die restliche Distanz anzurobben, wenn das Mondlicht gar zu hell erscheint. Bei leicht verhangenem Mond braucht der Jäger nicht zu fürchten, entdeckt zu werden. Sauen sind nicht die besten Seher. Hauptsache, der Wind behält eine feste Richtung bei. Aber im Feld besteht die Gefahr von drehendem oder küselndem Wind so gut wie nicht.

Die sehr reizvolle und auch spannende Pirsch im Feldrevier fordert vom Jäger eine ganz genaue Ortskenntnis und grosse Selbstbeherrschung. Zum einen besteht immer eine besondere Gefährdung des Hinterlandes, noch dazu, wenn man in der freien Feldflur vom Boden aus jagt. Das betrifft sowohl einen gänzlich fehlenden Kugelfang, wenn sich das Wild an Kuppen oder Geländeerhebungen bewegt, wenn der Jäger aus einer sitzenden oder gar liegenden Position schiesst, als auch den extrem flachen Schusswinkel – oft unter 30° - mit demselben Austrittswinkel, zumal wenn sich hinter dem Wild steiniger oder gefrorener Boden befindet. Es ist nicht auszudenken was passieren könnte, wenn so ein fehl gelenktes schweres Büchsengeschoss seinen Weg in Richtung einer Ortschaft nimmt!

Aber auch der Pirschende selbst kann sich bei dieser Jagdart in grosse Gefahr begeben, Opfer eines jagdlichen Fehlverhaltens zu werden. Wer regelmässig die aktuellen Berichte in der Tages- und Fachpresse verfolgt, dem wird kaum entgehen, dass im Rahmen der Nachtjagd auf Schwarzwild nicht selten Kühe, Schafe, Ponys oder selbst fahrbare Ansitzkanzeln als Lebenskeiler unter Beschuss genommen wurden. Leider ist auch schon so mancher Jagdkamerad nächtens von einem Mitjäger oder Jagdnachbarn versehentlich als Sau angesprochen und beschossen worden. Mit meist verheerenden Folgen!

Wer also, gerade in unseren kleinen Revieren, nachts im Feld auf Sauen prischen will, sollte mit oberster Priorität die Sicherheit in seine jagdtaktischen Überlegungen einbeziehen. Dazu gehört, dass man sich unmittelbar vor dem anstehenden nächtlichen Einsatz mit seinen Jagdkameraden im eigenen Revier, aber auch mit den Jagdnachbarn verständigt. Sinnvollerweise verzichtet man auf Pirschgänge im selben Revierteil, wenn mehrere Jäger ansitzen und meidet insbesondere unklar verlaufende Reviergrenzen, wenn im Nachbarrevier angesessen wird.

Spannende Waldpirsch

Etwas anders gestaltet sich die Pirsch auf Sauen im reinen Waldrevier. Sie ist prinzipiell zu jeder Jahreszeit möglich, denn verwertbare Frischlinge und Überläufer gibt es immer. Auch ist es im Wald aufgrund der Licht- und Deckungsverhältnisse eher möglich, sicher anzusprechen und festzustellen, ob ein Stück führt. Auf Schwarzwild im Wald pirscht man frühmorgens oder in winterlichen Mondscheinnächten, wenn die Bäume kein Laub mehr tragen. Vor Beginn des Pirschganges ist das Gelände tagsüber gründlich abzufährten. Nur dann erkennt man, woher die Sauen aus den Einständen zu den Mast tragenden Althölzern ziehen, um dort zu brechen. Interessant sind auch immer gut besuchte Suhlen, deren Attraktivität durch Malbäume verstärkt werden kann. Wer über Streuobstflächen oder Kleestreifen im Waldrevier verfügt, trifft hier zu gegebener Zeit das Schwarzwild oft noch lange nach Sonnenaufgang vertraut an. Trifft man mit einer Rotte, die im Gebräch steht, zusammen, muss man so nah wie möglich herankommen, um alle Stücke ansprechen und zuordnen zu können. Vorsicht ist bei Naturverjüngungen und Brombeerflächen angesagt, denn hier kann der Jäger leicht ein Stück übersehen, das dann, wenn er an ihm vorbei pirscht, mit schlechtem Wind warnend abgeht.

Hat der Jäger ein passendes Stück ausgewählt, muss es sicher erlegt werden. Gut beraten ist derjenige, der vom Zielstock aus jagen kann, denn er hat in jeder Lage eine mobile Anstreichhilfe dabei. Vor dem Schuss muss sich der Jäger unbedingt anhand von Geländemerkmalen den Standort des Wildes merken, damit er, wenn das Stück mit dem Treffer abgeht, den Anschuss finden kann. Aber er muss auch seinen eigenen Standplatz in diesem Fall verbrechen, damit später eine allenfalls notwendige Einweisung des Schweisshundführers möglich bleibt. Nach dem Schuss wird unverzüglich nachgeladen und das Umfeld gespannt und konzentriert beobachtet, denn die restlichen Sauen gehen gerade bei guter Bodenvegetation oftmals nicht gleich flüchtig ab, sondern sammeln sich erst einmal. So ist es relativ oft möglich, dass der Jäger auf weitere Stücke derselben Rotte zum Schuss kommen kann.

Sternstunde Mondscheinpirsch

Im Winter ist die Pirsch auf Sauen nur in wenigen, besonders ruhigen Revieren bei Tage möglich, da die Sauen in der langen Winternacht ausreichend Zeit zur Nahrungssuche haben. Die Mondscheinpirsch im Winterwald gehört wohl zu den Sternstunden in einem Jägerleben. Aber gerade weil diese Erlebnisse so verlockend sein können, ist hier beim Jäger Selbstbeherrschung und Selbstbeschränkung gefragt, wenn er sein Wild vertraut im Revier behalten möchte. Unser Schalenwild ist aufgrund stetig steigender Abschussvorgaben ohnehin einer weit übertriebenen Unruhe ausgesetzt, zum Teil durch die Erholung suchende Bevölkerung, aber auch aufgrund völlig falscher Bejagung. Vielfach ist es deshalb bereits zum reinen Nachtwild geworden. Wenn wir jetzt auch noch die Nachtzeit intensiv für die jagdliche Betätigung nutzen wollen, findet das Wild überhaupt keine Ruhe mehr – ganz besonders im Winter!

Die nächtliche Pirsch auf Sauen im verschneiten Wald übt einen unvergleichlichen Reiz auf den Jäger aus. Wo die Rahmenbedingungen wie geringer Jagddruck, gute Frassbedingungen und weiträumige Einstände passen, spricht somit nichts gegen eine massvolle Winterpirsch.

Erfolgversprechende Jagdtaktik

Vor Pirschbeginn legen wir uns nach den am Tage gewonnenen Erkenntnissen und den aktuellen Windverhältnissen einen Plan zurecht, wie wir unsere Pirschroute angehen wollen. Zum Pirschen eignen sich vorzugsweise Holzabfuhrwege, Rückegassen, Waldränder und breite Fernwechsel, wenn sie sich geräuschlos begehen lassen. Zu besonders vielversprechenden Stellen wie Suhlen, Malbäumen, Kirrstellen oder Mastbäumen können wir kurze Pirschwege im Vorfeld errichten, die uns nun die Jagd erheblich erleichtern.

Besonders erschwerend kommen die anderen Schalenwildarten, die ebenfalls nachts unterwegs sind, hinzu. Im Gegensatz zu den Sauen äugen diese Wildarten nicht nur sehr gut, sondern reagieren auf Störungen durch den Jäger oft so lautstark, dass sie das Schwarzwild durch ihr Schrecken oder abruptes Flüchten frühzeitig warnen.

Zu Beginn des Pirschganges müssen die Sauen erst einmal gefunden werden. Dazu suchen wir das Gelände zunächst von höher gelegenen Punkten ab. Sauen sind im freien Gelände bei entsprechendem Mondlicht oft mehrere hundert Meter weit zu sehen. Schwarzwild, das im Gebräch steht, verursacht obendrein Eigengeräusche, die zum Teil bei Auseinandersetzungen, Futterneid oder in der Rauschzeit weithin hörbar sind. Ideal ist für solche Unternehmungen «weiches» Wetter, also aufklarendes Wetter nach Regen, Neuschnee oder Tauschnee. Die wenigen Geräusche, die der Jäger beim Angehen einer im Gebräch stehenden Rotte verursacht, gehen im lautstarken Schmatzen und Grunzen der Sauen unter. Steht der Wind richtig, kann sich der Jäger selbst in einer mondhellen Nacht mühelos im Schlagschatten der Bäume bewegen, ohne Angst haben zu müssen, dass seine Bewegungen von den Sauen erkannt werden. In aller Regel sind die aussichtsreichsten Stunden bis Mitternacht. Danach trifft man die Sauen nur noch sporadisch an. Zur Morgendämmerung, und in ruhigen Revieren bis weit in den Vormittag hinein, steigen die Chancen im Winterwald wieder – insbesondere wenn Keiler sich bei den rauschigen Stücken einer Rotte eingefunden haben.

Zur Rauschzeit sind die Sauen auch tagsüber in den Einständen aktiv und nicht selten hört der Jäger die lautstarken Attacken. Vielfach sind die Sauen so mit sich selbst beschäftigt, dass sie vorsichtig in etwas lückigen Beständen oder auswachsenden Stangenhölzern angegangen werden können.

Eine weitere Möglichkeit bietet das Ausgehen von Fährten bei Schnee in nicht zu dichten Einständen. Ist es zudem richtig kalt, sieht der Jäger bereits von Weitem die aufsteigenden Dampfwolken der im Kessel liegenden Sauen. Das Ausgehen von Einzelfährten bei Schnee, das Angehen von Sauen im Einstand oder die Bejagung vor dem stellenden Finder beherrschen nicht mehr viele Jäger. Dazu kommt, dass sich auch nicht viele Reviere für diese Jagdarten eignen. Die Schwarzwildjagd mit dem gut abgeführten Saufinder kann sehr erfolgreich sein, ist aufgrund der Deckungsstrukturen im Einstand aber eben auch sehr häufig mit ernsten Gefahren für Hund und Jäger verbunden. Am besten eignen sich dafür nur mässig scharfe Hunde, die aber ausdauernd laut gebend dem Schwarzwild lästig werden. Die so «verratenen» Sauen fürchten keine ernsthafte Gefahr durch den Hund und bleiben im Kessel liegen. In Revieren, wo das Schwarzwild zudem regelmässig auf Drückjagden vor Stöberhunden gejagt wird, sind die Sauen sogar so abgebrüht, dass sie sich von einem einzelnen Hund meist gar nicht sprengen lassen. Oft halten sie sogar den sich nähernden Jäger lange aus, ehe sie den Kessel widerwillig verlassen. Diesbezüglich erfahrene Sauen über 50 kg nehmen in aller Regel sogar den angehenden Hundeführer mit grosser Sicherheit an, wenn er eine Distanz von 10 Metern zum Kessel unterschreitet. Für den Jäger ist das eine unangenehme Situation, denn er kann in der Regel nicht flüchten oder ausweichen. Die meist schwachen Bäumchen bieten keinen Schutz und bei einem Fangschuss besteht wegen der dichten Vegetation erhöhte Gefahr von Abprallern oder Querschlägern, die den Hund verletzen könnten. Dazu kommt noch das stark begrenzte Sichtfeld.

Eine fast immer erfolgreiche Variante dieser Jagdart ist das gleichzeitige Abstellen der bekannten Fluchtwechsel mit wenigen, geübten und vor allem disziplinierten Jägern. Dazu gehören natürlich genaue Kenntnisse von Revier, Einstand, Wechseln und Windverhältnissen. Schwarzwild geht, wenn es ohne grossen Druck angerührt wird, am liebsten gegen den Wind aus dem Einstand. Der Schütze gehört also mit halbem Wind und etwas Abstand an den bekannten Wechsel. Alte Keiler, und auch kranke Sauen auf der Nachsuche, benutzen beim Verlassen des Einstands meistens den ihnen bekannten Einwechsel. Dieser Platz muss daher unbedingt besetzt werden und ist erfahrungsgemäss ein Logenplatz!

Schwarzwild ist eine sehr anpassungsfähige Wildart. Sie stellt sich selbst auf eine der Ausrottung nahekommenden Bejagung schnell ein und berücksichtigt dies bei der Reproduktion. Die Schwarzkittel sind auf dem besten Weg, die häufigste Schalenwildart in Europa zu werden. Nur mit einer breiten Palette an Jagdarten kann diese Wildart, die sich durch ihre extreme Lern- und Anpassungsfähigkeit auszeichnet, auf Dauer reguliert werden. Für die Jägerschaft bedeutet dies auf dem Sektor des Jagdhandwerks eine grosse Herausforderung.

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