Hundearbeit in Wolfsgebieten

Ohne brauchbare Hunde ist eine effiziente und tierschutzgerechte Jagd nicht möglich. Doch gerade in Wolfsgebieten setzen Hundeführer ihre vierläufigen Helfer einer weiteren Gefahr aus.

Veröffentlicht am 28.03.2023

Wie in der Schweiz nimmt die Wolfspopulation auch in Deutschland ständig zu. Nach Angaben des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) und der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) leben mittlerweile1 157 Rudel, 27 Wolfspaare sowie 19 sesshafte Einzelwölfe in der Bundesrepublik in freier Natur. Das sind in Summe 1000 Individuen plus/minus 5002. Die Dunkelziffer dürfte nochmals weitaus höher liegen. Das führt zunehmend zu Problemen. Nicht nur Landwirte klagen über Verluste von Weidetieren, sondern auch während der Jagdausübung in Wolfsgebieten kommt es häufiger zu Konflikten zwischen Hund und Isegrim. Noch handelt es sich um Einzelfälle, der Deutsche Jagdverband (DJV) geht aber davon aus, dass die Zahl der Übergriffe auf Hunde zunehmen wird. Auch laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) «kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch in Deutschland zukünftig Hunde beim Jagdeinsatz von Wölfen angegriffen werden.» Die grössere Gefahr für Jagdhunde gehe jedoch vom Strassenverkehr und von Wildschweinen aus, so das BMUV. Das bestätigt auch Jörgen Bruder, langjähriger Hunde- und Meutenführer aus Sachsen-Anhalt sowie Inhaber einer Manufaktur für Hundeschutzwesten. «Genau genommen ist durch den Wolf lediglich eine weitere für Hunde potenziell gefährliche Wildart dazugekommen. Die meisten schweren oder tödlichen Verletzungen sind immer noch auf das Schwarzwild zurückzuführen.» In den Wolfsrevieren, in denen er jagt, sei ihm weder bisher ein Wolf begegnet noch haben Wolfsangriffe auf Hunde stattgefunden.

Steffen Benthin, Jagdgebrauchshundeobmann des Jagdverbandes Pritzwalk e.V. und bestätigter Nachsuchenführer, steht der ganzen Thematik etwas skeptischer gegenüber. «Der Hund ist ein Eindringling respektive Konkurrent für den Wolf. In meinen Augen ist schon eine gewisse Gefahr vorhanden, dass er [der Hund] bei Kontakt eliminiert wird.» Besonders gross sei das Risiko mutmasslich vor und während der Ranzzeit von Januar bis März, weil die Spannungen im Rudel stark zunehmen. «Die Wölfe sind dann besonders territorial.» Er schlussfolgert, dass man unter anderem aus diesem Grund im Land Brandenburg im Zuge der letzten Reform die Jagdzeit auf wiederkäuendes Schalenwild auf Mitte Januar verkürzt habe. Und auch der DJV empfiehlt in seinem Leitfaden «Hundearbeit im Wolfsgebiet» Hunde in der Paarungszeit der Wölfe nicht frei laufen zu lassen. Die Frage, ob man seine/n Hund/e im Fall der Fälle (be)schützen können, verneinen beide Hundeführer. Es gäbe zwar spezielle Wolfschutzwesten, aber selbst gegen einen Einzelwolf habe ein geschützter Jagdhund kaum eine Chance. Der Kieferdruck eines erwachsenen Wolfs ist gewaltig und erreicht bis zu 15 Kilogramm pro Quadratzentimeter.

«Es gibt zwar spezielle Wolfschutzwesten, aber selbst gegen einen Einzelwolf hat ein geschützter Jagdhund kaum eine Chance.»


Besonders prekär für alle, die mit Hunden in Wolfsgebieten jagen: Selbst im Falle eines Angriffs darf ein Wolf nicht ohne Weiteres erlegt werden. Erst jüngst gab es dazu einen brisanten Fall in Deutschland, bei dem ein niederländischer Jagdgast wegen eines Verstosses gegen das Bundesnaturschutzgesetz angeklagt wurde, nachdem er Anfang 2019 bei einer Jagd in Brandenburg einen Wolf tötete. Dieser hatte zuvor mehrere Jagdhunde angegriffen und schwer verletzt. «Ich habe geschrien, in die Hände geklatscht und einen Warnschuss abgegeben», so der Schütze. Doch der Wolf habe weitergemacht. «Ich war total verrückt, ich dachte, ich muss den Wolf schiessen, sonst beisst er die Hunde kaputt», lautete seine Aussage. Er wurde am 21. Juni 2021 zunächst freigesprochen. Der 61-jährige Weidmann sei berechtigt gewesen, so zu handeln, weil das Tier zuvor dessen Jagdhunde angegriffen habe, hatte der Richter die Entscheidung begründet. Die Staatsanwaltschaft Potsdam legte jedoch Berufung gegen den Freispruch durch das Amtsgericht Potsdam ein. Der Fall werde in zweiter Instanz vor dem Landgericht neu verhandelt. Das bedeute unter anderem eine neue Beweisaufnahme.

Es braucht klare Regeln
«Der Gesetzgeber muss jetzt handeln und klare Regeln für einen derartigen Notstand entwickeln», fordert DJV-Vizepräsident Helmut Dammann-Tamke. Und weiter: Das Gesetz schreibe den Einsatz von gut ausgebildeten Jagdhunden vor. Es sei deshalb inakzeptabel, dass sie im Einsatz nicht geschützt werden könnten. Dem stimmt auch Steffen Benthin zu. Es müsse eine Lösung her. Wie diese aussehen könnte? «Wir leben im Einklang mit dem Wolf, aber wir bejagen ihn auch», so die Forderung des passionierten Hundeführers. Der Jagdhund sei schliesslich nicht nur ein «Arbeitstier», sondern auch ein Familienmitglied. «Ich sehe nicht ein, dass ich mein Familienmitglied opfere für ein Raubtier, dass hier wieder heimisch wird. Der Gesetzgeber muss dem Hundeführer einräumen, dass er seinen Hund beschützen kann. Es muss eine Rechtssicherheit geschaffen werden.» Solange dies noch nicht der Fall ist – Vorsicht walten lassen. Sowohl der DJV als auch das BMUV haben hierzu Praxistipps veröffentlicht:

Tipps für die Praxis
Hundeführer sollen im Vorhinein einer Jagd über die Anwesenheit von Wölfen informiert und auf das Risiko für den Hundeeinsatz hingewiesen werden. Hunde, die im Ausland bereits auf Grossraubwild eingesetzt wurden, soll man in Wolfsgebieten am besten gar nicht jagen lassen. Um überraschende Zusammentreffen von Wolf und Hund zu minimieren, sollen sich die Treiber direkt durch lautes Rufen bemerkbar machen und die Hunde erst 20 bis 30 Minuten nach Beginn des Treibens geschnallt werden. Darüber hinaus ist es empfehlenswert, die Hunde mit Schutzwesten, GPS-Ortungsgeräten und Glocken oder Schellen auszustatten. Grundsätzlich gilt: Niemals den Jagdhund für das Anzeigen von Wolfszeichen belohnen! Der Hund darf keine positive Verknüpfung mit dem Wolf herstellen. «Ein Hund, der einen Wolf verfolgt und stellt, riskiert jedoch tatsächlich von diesem angegriffen zu werden», heisst es auf der Seite des BMUV. Eine weitere Empfehlung lautet: Bei Nachsuchen den Hund erst am sichtbar kranken Stück schnallen, um das Risiko eines Wolfskontaktes zu minimieren. Vom Wolf in Besitz genommenes Wild sei diesem zu überlassen!

«Ein Hund, der einen Wolf verfolgt und stellt, riskiert jedoch tatsächlich von diesem angegriffen zu werden».


Steffen Benthin und Jörgen Bruder haben unabhängig voneinander Veränderungen im Verhalten ihrer Hunde festgestellt, wenn Wölfe zugegen sind. «Sie gehen nicht besonders weit, klemmen fast», berichtet Jörgen Bruder. «Man muss seinem Hund vertrauen können, dass er nicht hinterhergeht», ergänzt Steffen Benthin. Ein gewisses Risiko sei bei der Jagdausübung natürlich immer dabei. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, solle seine Jagdhunde daher lieber nicht mehr für Stöberjagden und Nachsuchen in Wolfsgebieten einsetzen.

Text: Anna-Lena Kaufmann
Foto: Jörgen Bruder

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